Fachtag

„Gestaltungs(t)räume. Partizipation als Grundprinzip der Theaterarbeit von und mit Kindern“ 23.02.2019 in Vlotho (NRW)

Der Fachtag „Gestaltungs(t)räume. Partizipation als Grundprinzip der Theaterarbeit von und mit Kindern“ am 23.02.2019 in Vlotho (NRW) stellte verschiedene partizipative Theaterprojekte mit Kindern zur Diskussion. Außerdem übergab die Jury des 8. Deutschen Kinder-Theater-Fests offiziell den Staffelstab an die zukünftige Jury vom Theater Lübeck, wo 2020 die nächste Festivalausgabe stattfindet. Hannes und Matti als Vertreter der Mindener Jury gaben den zukünftigen Juror*innen Johanna und Benedikt aus Lübeck einige Tipps für ihre Aufgabe mit auf den Weg und wünschten ihnen viel Spaß bei der Sichtung und Auswahl der Stücke.

Prof. Dr. Erika Schulze (Lehrgebiet Soziologie der Kindheit und Jugend- FH Bielefeld) gab mit einem Impuls einen Überblick über die Entwicklung und die Möglichkeiten der Partizipation von Kindern in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und Projekten.

Einen Schwerpunkt bildete die Vorstellung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der Jury des 8. Deutschen Kinder-Theater-Fests. Prof. Dr. Norma Köhler, Prof. Dr. Christoph Lutz-Scheurle und Daniel Cosic  (Theater als Soziale Kunst - FH Dortmund) hatten mittels videogestützter Beobachtung und Interviewbefragung die Juryarbeit dokumentiert und die Partizipationsmodi der Juryprozesse sowie die Rollenkonstruktion im Partizipationsprozess untersucht.

Kathrin Schremb (Geschäftsführerin, stellwerk Weimar) berichtete über  die Bühnenrepublik Stellwerkistan, die in der Spielzeit 2016/2017 als fiktive Gesellschaftsordnung am Theater gegründet wurde. Die Idee für die Staatenutopie hatten Kinder und Jugendliche.

Guy Marsan stellte verschiedene Projekte des Fundus Theaters Hamburg vor, das sich als Forschungstheater versteht und Kinder dazu einlädt, sich aktiv einzubringen, zu experimentieren und mitzuentscheiden.

Impuls

„Nicht für uns ohne uns“. Partizipation von Kindern

Der Vortrag wirft einen Blick auf die Entwicklung und Chancen der Partizipation von Kindern – als ihr Recht wie auch ihre Fähigkeit, in allen Fragen und Feldern, die sie betreffen, am demokratischenProzess teilzuhaben. Es werden grundlegende Prinzipien vorgestellt, ebenso wie Beispiele gelungenerBeteiligung.

Prof.in Dr. Erika Schulze (Lehrgebiet Soziologie der Kindheit und Jugend, Fachhochschule Bielefeld) ist Professorin für die Soziologie der Kindheit und Jugend an der Fachhochschule Bielefeld, FachbereichSozialwesen. Sie arbeitet und forscht zu den Themen Kindheit im gesellschaftlichen Wandel, Aufwachsen in der Migrationsgesellschaft, Erziehung und Bildung im Fluchtkontext, Bildung und Ungleichheit, Stadtsoziologie.

Praxisbeispiele partizipativer Theaterarbeit

Die wissenschaftliche Begleitung der Juryarbeit des 8. Deutschen Kinder-Theater-Fests 2018 Theater als Soziale Kunst (TaSK) im Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften, FH Dortmund

Erstmals wurde für das 8. Deutsche Kinder-Theater-Fest eine Jury nominiert, die paritätisch besetzt ist. Der dahinterstehende Partizipationsgedanke und seine Auswirkungen auf die Juryarbeit wurden mit einer Begleitforschung von Kulturwissenschaftler*innen und Studierenden der FH Dortmund(Theater als Soziale Kunst) beobachtet und befragt. Zwei Zugänge ergänzen sich hier: Während Daniel Cosic und Prof. Dr. Christoph Lutz-Scheurle mittels videogestützter, teilnehmender Beobachtung die Partizipationsmodi in den Juryprozessen kontinuierlich untersuchen und die Ergebnissein einem essayistischen Zugriff (vgl. Geertz 1983) organisieren, diskutieren und auswerten, widmet sich Prof. Dr. Norma Köhler mit Studierenden mittels Interviewbefragung der Jurymitglieder den Rollenkonstruktionen im Partizipationsprozess. Gemeinsames Ziel der Materialsammlungen und Auswertungen ist es, die Prozesse der Jurybildung und -arbeit zu beschreiben, zu kommentieren und Handlungsempfehlungen für eine weitere Entwicklung der Juryarbeit auszusprechen. Anhandvon ausgewählten Askpekten und Perspektiven der Materialgenerierung und -sichtung werden dabei Voraussetzungen und Folgen der Arbeits- und Forschungsformate in einen erweiterten Diskursgebracht, der Arbeitshaltungen in der Theorieentwicklung und der Praxis von Theater mit Kindern produktiv befragt und thematisiert.

 

Prof.in Dr. Norma Köhler verantwortet seit 2009 den Bereich Theaterpädagogik an der Fachhochschule Dortmund im Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Als Kulturwissenschaftlerin widmet sie sich in Lehre und Forschungvorrangig sozial-künstlerischen Arbeitsweisen und –haltungen (Biografisches Theater, Theater in der SozialenArbeit, Multiperspektivität, Diversität und Kollektive Kreativität).

Prof Dr. Christoph Scheurle ist Professor für Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kunst und Teilhabe an der Fachhochschule Dortmund und verantwortet dort mit den Kolleginnen Prof.in. Dr. Norma Köhler und Prof.in Dr. MelanieHinz das zertifizierte Profilstudium „TaSK – Theater als Soziale Kunst“. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Partizipation und dem Verhältnis von Theater/Kunst, Politik und Medien sowie mit Fragen kultureller und ästhetischer Bildung.

Daniel Cosic studiert Soziale Arbeit an der Fachhochschule Dortmund und absolviert dort den Profilstudiengang „Theater als Soziale Kunst (TaSK)“. Als Projektmitarbeiter unterstützte er den Aufbau der hochschulöffentlichenProjektdatenbank „Polis“ der Fachhochschule Dortmund.

Bühnenrepublik Stellwerkistan junges Theater stellwerk Weimar e.V.

Für die Spielzeit 2016/2017 wagte das junge Theater stellwerk Weimar e.V. den Entwurf einer fiktiven Gesellschaftsordnung und gründete die BÜHNENREPUBLIK STELLWERKISTAN. Die Idee einer Staatenutopie wurde Anfang 2016 von Kindern und Jugendlichen entwickelt. In zahlreichen Werkstätten wurde die Staatengründung untersetzt, Ministerien gegründet, Fahnenentworfen, eine Hymne geschrieben, Medienbüros aufgebaut u.v.m.Die jungen Utopist*innen setzten sich mit den Fragen auseinander: In welcher Welt wollen wir leben? Brauchen wir Gesetze, eine Polizei? Gibt es einen König oder Anarchie? Was gehört zu einer Machtübernahme? Was passiert, wenn alle, auch das Publikum, plötzlich mitbestimmen dürfen oder sich vielleicht eine Gegenbewegung gründet?

Kathrin Schremb (Geschäftsführerin, junges Theater stellwerk Weimar e.V.) ist seit mehr als 20 Jahren als Kultur- und Projektmanagerin, mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendtheater, in Thüringen tätig. Sie ist Gründerin des jungen Theaters stellwerk weimar e.V., dessen Bühne sich im Weimarer Hauptbahnhof befindet. Als Theaterleiterin konzipiert und entwickelt sie dort seit 2002 den Fachbereich der Theaterpädagogik für junge Menschen von 4-27 Jahren, mittels Inszenierungen, wöchentlicher Werkstätten, Projekte, Workshops und Festivals.

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FUNDUS THEATER Hamburg | Theatre of Research

Das FUNDUS THEATER ist ein Forschungstheater. Kinder und Erwachsene forschen hier gemeinsam.Sie erleben den Arbeitsprozess des Theatermachens als Experiment. Begleitet von ausgebildetenTheater- und Performancemacher*innen, werden die Kinder eingeladen, selbst Entscheidungen zu treffen. Je nach Projekt entscheiden sie über die Themen bis hin zum Probenprozess und zu denVorstellungen. THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOWBUSINESS gibt Kindern die Gelegenheit, zu Programmdirektor*innen zu werden und zu entscheiden, wie das Geld für die Produktion ausgegeben wird. Bei DA GEFAHR! werden Kinder aufgefordert, gefährliche Dinge auszuprobieren. Bei KAPUTT forschen Kinder und Erwachsene zum Thema Zerstörung zusammen. PLAYING UP gibt Kindern und Erwachsenen die Chance, gemeinsam die Geschichte der Performancekunst zu reenacten. In jedem Projekt werden die Kinder in den Prozess miteinbezogen, aber jedes Projekt fordert unterschiedliche Arten der Teilhabe.

 Weitere Informationen online.

Guy Marsan (Schauspieler, Tänzer, Choreograph) arbeitet als Schauspieler, Tänzer und Choreograf. 2015 hat er den Masters of Arts in Performance Studies an der Universität Hamburg absolviert. Seitdem arbeitet er mit verschiedenen Theatern und Kollektiven zusammen und erarbeitet eigene Choreografien in der europäischen Performance-Szene. Für sein erstes Projekt mit dem FUNDUS THEATER, hat er eine Audition vor den Kindern gehalten, um mitmachen zu dürfen. Mittlerweile hat er schon vielen Kinder-Programmdirektor*innen beim Projekt THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOWBUSINESS assistiert.

Fotos: Lea Mühlenmeier